Kabardiner


Kabardiner

Das Interesse an der Kabardiner Rasse ist in den letzten Jahren langsam aber stetig gewachsen. Das liegt zum einen an der positiven Erfahrung, die die Besitzer dieser Pferde machen und natürlich auch weitergeben. Zum anderen liegt es daran, dass diese Rasse eine wirklich erstzunehmende Alternative zu den im gleichen reiterlichen Spektrum eingesetzten Pferden darstellt. Als Gebirgspferd im Reitpferdetyp stehend, bringt es eine hervorragende Ausbalanciertheit, Konditions- und Regenerationsfähigkeit mit, die ihn für den Parcours genauso qualifizieren wie für den Distanz-, Trekking oder Vielseitigkeitssport. Die Pferde sind sehr leichtrittig und haben durch jahrhundertelange Selektion weiche, elastische, taktreine Gänge, die komfortabel auch auf langen Strecken zu reiten sind. Immer wieder sind auch Vertreter darunter, die Paß oder Tölt anbieten. Wie viele Rassen aus dem kaukasischen Raum, ist auch der Kabardiner sehr menschenbezogen, er sucht von sich aus den Kontakt und viele suchen sich ihren Menschen aus. Stimmt die "Chemie" hat man ein Pferd, auf das man sich auch in schwierigen Situationen absolut verlassen kann.
Einige Unklarheit herrscht bei uns noch über die verschiedenen Zuchtrichtungen der Kabardiner-Rassegruppe. Zum einen wäre hier noch die Karatschaever-Rasse und dann noch die Halbblutrassen Anglo-Kabardiner und Anglo-Karatschaever zu nennen. Ganz klar muss man hier jedoch sagen, dass es kaum noch reinrassige Kabardiner und reinrassige Karatschaever gibt. Im Ursprungsland findet man, wenn überhaupt, nur noch eine Handvoll wirklich reinrassiger Vertreter dieser Rassen und in Deutschland sind gar keine vertreten. Die meisten Pferde dieser Rassen, die im Ursprungsland als reinrassig geführt werden, haben einen Vollblutanteil, der zwar unter ¼ liegt, aber eben nicht von der Hand zu weisen ist. Die Pferde, bei denen der Vollblutanteil über ¼ liegt, werden als Anglo-Kabardiner bzw. Anglo-Karatschaever geführt. Bei uns in Deutschland gibt es ausschließlich Kabardiner und Karatschaever mit einem Vollblutanteil, wirklich nachgewiesene reinrassige Kabardiner und Karatschaever sind nicht vertreten, auch wenn einige Pferde so geführt werden. Fälschlicher Weise wird hier in Deutschland in der Regel nur vom Kabardiner gesprochen, was sicher damit zusammenhängt, dass die Rasse der Kabardiner einen höheren Bekanntheitsgrad hat, als die der Karatschaever und der Anglo-Kabardiner bzw. Anglo-Karatschaever. Hinzu kommt sicherlich die Schwierigkeit des immensen Aufwandes, einem Laien die Zusammenhänge und Unterschiede dieser Rasse klar zu machen.
Hier muss man sich vor Augen führen, dass reinrassige Kabardiner oder Karatschaever bei uns kaum Fuß fassen könnten. Sie sind reine Gebirgs- und Arbeitspferde, die absolut an die Gegebenheiten ihres Herkunftsgebietes angepasst sind. Der Gang auf den schmalen Gebirgspfaden über die Steilhänge, die Überwindung der steilen Anhebungen und der Abhänge, schwer passierbare Pässe, bedeckt durch ewigen Schnee, haben das Exterieur des kabardinischen Pferdes geformt und haben ein für die Gebirgsbedingungen brauchbaren und spezialisierten Typ Pferd erschaffen, das den bei uns gestellten Anforderungen nicht gewachsen wäre. Reinrassige Kabardiner und Karatschaever wären in der Ebene, wie sie bei uns vorherrscht, so nicht nutzbar. Arbeitspferde werden hierzulande nicht mehr eingesetzt und auch vom Exterieur her wären diese Rassen eher unmodern und somit von vorne herein zum Scheitern verurteilt.
Um die Rasseunterschiede zu verdeutlichen sollen die Rassen hier in Anlehnung an das letzte Stutbuch, Band V; Moskau 1993, vorgestellt werden:

Abstammung
Diese lokale Art des Nordkaukasus ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Erst im 17. Jahrhundert fing sie an, sich über die Grenzen ihrer Heimat hinaus auszubreiten. Keine andere dort ansässige Pferderasse hat eine so große Verbreitung und Popularität errungen, wie die der kabardinischen. Es sollen teilweise bis zu 1000 Pferde an die Kasachischen Truppen und an das Feldheer Russlands geliefert worden sein. Die Kabardiner sind vor allem in dem heutigen Gebiet der Kabardino-Balkarischen Autonomen Republik, in den Hügelgebieten rund um Stavropol und am Oberlauf des Kubans heimisch. Sie gilt neben den Karatschaevern als die beste Gebirgspferderasse überhaupt. Sie zeichnet sich durch enorme Kondition, Trittsicherheit, Regenerationsfähigkeit, Rittigkeit und Zähe, als auch durch die Eigenschaft mit schlechtesten Futterbedingungen zurecht zu kommen, aus. Diese Pferde fanden im Arbeitsbereich, als Reitpferd und Saumtier im unwegsamen Gebirge Verwendung. Sie sind nicht außerordentlich schnell, aber zeichnen sich durch gute Geschwindigkeit, gepaart mit einer erstaunlichen Ausdauer aus.
Ursprünglich geht die Rasse auf das alte Tscherkessenpferd zurück, dass vermutlich persische und arabische Vorfahren besaß. Laut dem Wiener Hippologen Fitzinger um 1860, gehen diese wiederum auf das abchasische Pferd (Ur-Pferderasse) zurück, in dem er eine der Grundformen der südrussischen-asiatischen Rassen sah. Turkmenen und Araber haben in der Rasse deutliche Spuren hinterlassen.
Der "moderne" Kabardiner ist ein Produkt einer konstant durchgeführten Kreuzung von Pferden der südlichen Gruppen (Perser, Karabagh, Araber, Turkmenen) mit Nogaiern und östlichen Steppenpferderassen, wie dem Mongolenpferd. Der Name Kabardiner kommt von der Großen und kleinen Kabarda, Teilen des Terekgebietes.

Exterieur
Die Ausrichtung als Gebirgspferd prägt auch den körperlichen Aufbau und die Ausstattung der Kabardiner. Sie verfügen über ein extrem effizientes Gangwerk, das mit möglichst geringem Aufwand einen hohen Raumgewinn ermöglicht. Die Aktion ist dementsprechend niedrig, aber raumgreifend, wodurch sie sich auch extrem weich reiten lassen.
Die Beinstellung ist schmal (kuhhässig/bodeneng) und oft säbelbeinig, dem Gebirge angepasst und sollte nicht als Fehlstellung, sondern als Anpassung an das Zucht- und Arbeitsgebiet gesehen werden. Diese Huf- und Beinstellung ermöglicht die enorme Trittsicherheit, Wendigkeit und Flexibilität, die im Gebirge notwendig ist. Die Hufe sind sehr hart und widerstandsfähig.
Für Kabardiner ist eine kräftige, trockene Konstitution, sowie ein harmonischer, etwas rumpfiger Körperbau charakteristisch. Die Ohren sind groß, spitz und sehr beweglich. Der Kopf ist trocken, oft mit leicht gewölbter Stirn-Nasenlinie (Ramsnase, kein Ramskopf) und auf den wohlbemuskelten geraden Hals von mittlerer Länge aufgesetzt. Die Schulter ist von mittlerer Länge und steil. Zuchtziel ist hier jedoch eine Schrägstellung der Schulter, um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Durch die Einkreuzung von Vollblütern wird die Schulterstellung schräger und nähert sich diesem Zuchtziel an. Die Brust ist tief angesetzt, der Widerrist relativ niedrig aber lang. Der Rücken ist lang, gerade und kräftig bis zur abschüssigen, ebenfalls gut bemuskelten Kruppe. Der Schweif ist niedrig angesetzt und ebenso wie die Mähne stark behaart. Die Lendenpartie ist stark bemuskelt. Das Langhaar ist lang und füllig, während kaum Fesselbehang vorhanden ist. Die typische Farbe ist braun mit dunklem Behang ohne Abzeichen. Seltener kommen auch Fuchs oder Rappen vor.

Maße:
Stockmaß: ca. 145 cm - 155 cm
Röhrbein: 18,5 cm bis 20,5 cm
Körperlänge (Brust bis Kruppe): etwa 153 cm
Brustumfang: 175 cm - 185 cm.

Interieur /Charakteristik
Kabardiner sind charakterstark, lebhaft und intelligent. Sie lassen sich sehr stark prägen, was auf die Vergangenheit als Pferd von reiterischen Nomadenvölkern zurückgeht, wo sie der wertvollste Besitz eines Reiters waren. Um Diebstahl vorzubeugen, wurden die Pferde intensiv auf einen Besitzer geprägt, so dass die Diebe kaum Freude an ihrer Beute hatten. Der Kabardiner wird dadurch - zu recht - häufig als Ein-Mann(Frau)-Pferd bezeichnet. Außerdem besitzen sie ein gutes Orientierungsvermögen und einen extremen Herdeninstinkt. Wenn sie gestohlen werden, finden sie ihren Weg zur Herde zurück, auch über lange Strecken mehrere Monate und schlechte Futterverhältnisse hinweg.

Geschichte
Im Winter 1935 - 1936 wurde zur Überprüfung der Rassequalitäten ein Distanzrennen rund um den Gebirgsrücken des Kaukasus mit der Marschroute Pijatigorsk - Tscherkessk - Teberda - Kluchorskij - Suchumi - Tbilissi - Baku - Machatschkala - Grosnij - Ordsonikidze - Naltschik - Pjatigorsk organisiert. Am Rennen nahmen Kabardiner, Karatschaever und Anglo-Kabardiner teil. Die Gesamte Wegstrecke von 3000 Kilometern wurde in 47 Tagen zurückgelegt - 64 km am Tag. An einzelnen Tagen wurden Strecken bis zu 120 km zurückgelegt.
Im Jahre 1936 wurde ein Distanzrennen von Pjatigorsk nach Rostow veranstaltet, wobei in schwierigem Frühjahrstauwetter 550 km in viereinhalb Tagen zurückgelegt wurden mit einer Tagesleistung vom 150 km . Es wurden noch weitere Rennen durchgeführt, die die Distanzeignung und Widerstandskraft der Rasse bewiesen.
Im Jahr 1937 gewann die Stute Aza einen Hundertmeiler in der Rekordzeit von vier Stunden und 24 Minuten. Im Jahr 1946 wurde auf der Moskauer Rennbahn ein Distanzrennen für vaterländische Rassen über 250 km durchgeführt, wobei die letzten 2 km im schnellen Galopp zurückgelegt werden sollten. Hier siegte der Kabardiner Hengst Ali-Kadys, der diese Distanz in 25 Stunden zurücklegte.

Hengstlinien
Die Zucht der Kabardiner ist in Russland in Hengstlinien organisiert: Atlas, Zurab, Lachran und die neueren Kabardiner-Hengstlinien Fiolet, Dar (diese Linie stammt zwar aus dem Gestüt Malkinsk, geht aber in direkter Hengstlinie auf 21 Dauzus und damit auf die Karatschaever-Rasse zurück). Begründer neuerer Linien sind Darcho, Orlik 92 und Funt (die Linie dieses Hengstes muß noch recht neu sein, da sie in Deutschland noch nicht bekannt ist. Allerdings wird er als Begründer einer eigenen neuen Linie im Album der Rassen der Pferde der UDSSR genannt). Ebenso zu den Hauptlinien gehören die Hengste Borej und Argamak, die zu den Stammhengsten der Karatschaever-Rasse zählen, aber vom Typ her den Kabardinern sehr ähnlich sind.
In großer Zahl führte man Karatschaever-Hengste nach Kabardino-Balkarien ein, die jedoch keinen nennenswerten Einfluß auf die Kabardiner-Rasse hatten. Die deutlichste Spur hat hierbei der Karatschaever-Hengst Dar hinterlassen, der eine eigene Linie begründete. 1958 wurde in das wiederaufgebaute Gestüt Malkinsk etwa 60 Karatschaever-Stuten und die Hengste 340 Dobrij, 0149 Achtyr, 502 Zarjad und 617 Ansambl aus dem Gestüt Karatschaev eingeführt, wodurch das Karatschaever Blut in bedeutendem Umfang weitergegeben wurde. Seit Beginn der 60er Jahre wurde die gegenseitige Blutzufuhr der beiden Rassen praktisch nicht mehr weitergeführt. Die nächste Generation unterschied sich schon nicht mehr von den reinrassigen Pferden, da die früheren Kreuzungen zum größten Teil nicht nach bestimmten Typmerkmalen ausgewählt und weiterverwendet wurden. Der Einfluss der starken Umweltbedingungen führte dazu, dass das Vorhandensein von Karatschaever-Blut in der Kabardiner-Rasse und umgekehrt lediglich formalen Charakter hat. Jedoch führte man, um die Zurab-Linie in Malkinsk zu erhalten, in den letzten Jahren wieder 2 Hengste aus dem Gestüt Malokaratschaevsk ein. Die Hengste 693 Zador und 696 Zamok.
Als Folge einer unzureichenden Zuchtplanung innerhalb der Kabardiner-Rasse findet man unter denen im Staatlichen Stutbuch eingetragenen Pferden einen nicht gerade kleinen Anteil von Stuten, die keiner der bestehenden bzw. entstehenden Hengstlinie angehören. Viele wertvolle Linien wurden nicht in genügendem Umfang weitergeführt, bisweilen wurden sogar Hengste mit ungeklärter Abstammung zum Decken eingesetzt. Auch Budjonny und Don Pferde wurden teilweise zur Zucht genutzt.

Zucht in Russland
Dadurch, dass die Entwicklung des Ackerbaus und der Schafzucht im Nordkaukasus im 19. Jahrhundert stark zurückgegangen ist, wurde diese Rasse ausschließlich mit Ziel weniger auf die wirtschaftliche und landwirtschaftliche Nutzung sondern im wesentlichen auf die militärische Nutzung verbessert. In dem Maße, wie die Nachfrage sank, hat auch die Pferdezucht nachgelassen. Der Bürgerkrieg sorgte ebenfalls für eine starke Abnahme der Population. Mitte des 20. Jahrhunderts war die Pferdezucht jedoch mit Hilfe der staatlichen Gestüte wieder im Aufbau begriffen. Mühsam versuchte man die reinrassigen Pferde zu sammeln, um die Rasse wieder aufzubauen. Den staatlich betriebenen Ställen und auch den wirtschaftlichen Betrieben in Kabardino Balkarien ist es so gelungen binnen kürzester Zeit zu eindrucksvollen Ergebnissen zu kommen. Durch die wieder erreichte Qualität, hat es das kabardinische Pferd geschafft, eine der verbreitetsten Rassen im Kaukasus und über die Grenzen hinaus zu werden.

Das wichtigste Gestüt für die Zucht der Kabardiner ist Malkinsk. Allerdings widmen sich viele Sowchosen und Kolchosen in dieser Region auch der Zucht des Kabardiners. Jedoch ist die Verbreitung der Rasse rückläufig. Die Gestüte in Russland sind, nach einem rapiden Niedergang in den letzten 15 Jahren erst wieder im Aufbau begriffen. Gerade deshalb stellen aber die wenigen nicht-russischen Pferde einen wichtigen Genpool dar. Die reinrassige Population laut den Stutbüchern I - III (1935 - 1953) war 446 Hengste und 3272 Stuten. Dieser Bestand ist laut Daten von 1990 auf etwa 400 - 450 Stuten in Malokaraschevskoje und Malkinsk und die Zuchtstationen der Karachivischen-Tscherkessischen Autonomen Republik geschrumpft. Im Vergleich dazu: Am 1. Januar 1969 betrug die Anzahl der reinrassigen kabardinischen Pferde 5,8 tausend und die Anzahl der Kreuzungen (verschiedener Arten bzw. Rassen) 40,7 tausend zusammen. Aktuelle Daten sind nur schwer zu beschaffen, wenn man jedoch einem uns vorliegendem Artikel aus Russland glauben darf, gibt es gerade noch ca. 500 Pferde, die man auf die kabardinische Rasse beziehen kann.
Der allgemein Abschwung der Pferdezucht im Kaukasus in Verbindung mit dem schwindenden Käufern und der Umgestaltung und der Zersplitterung der großen landwirtschaftlichen Betriebe bewirken, dass die Herden dieser wertvollen Pferderasse schwinden. Die rasante Populationsabnahme erklärt sich aus der unzureichenden Geschwindigkeit der reinrassigen Pferde bei den klassischen Pferderennen. Eine Tendenz der Kabardinischen Pferdezucht, diese Pferde unkontrolliert mit Vollbluthengsten zu kreuzen hat zu einer Minderung des reinrassigen Anteils und einer wesentlichen Veränderung der traditionellen wertvollen Qualitäten geführt. Jedoch, wenn man eine weitere Abnahme der Population aufhalten will, werden die Gestüte in Russland diesem Prozess der kontrollierten Blutzufuhr von anderer Rassen, insbesondere Vollblut, in die kabardinische Rasse nicht entgehen können.

Leistung
Die Rassegeschwindigkeitsrekorde sind 1 min 54 für 1600 m, 2 min 44,2 sec. für 2400 m und 1 Stunde 41 min 25 sec für 50 km.

2 Tabellen über die Leistungen russischer Kabardiner und Anglo-Kabardiner aus den Jahren 1952 und 1972: Die Höchstleistungen der Kabardinischen Pferde am 01. Januar 1952 auf der Rennbahn Pyatigorskii. Die Rekorde der kabardinischen Pferde am 01. Januar 1972 finden Sie auf der Seite von:

Gerard Locker, Leoni Schuschel, Cornelia Schuschel

Ebenfalls finden sie dort nähere Einzelheiten zu:
Karatschaever:
Anglo Kabardiner/Anglo Karatschaever:
Kabardiner in Deutschland:

Autoren dieses Berichtes: Gerard Locker, Leoni Schuschel, Cornelia Schuschel

zurück